Jedes Jahr zur Reisezeit häufen sich die Debatten um das heikle Thema: Sollten Eltern ihre Kinder einfach ein paar Tage früher aus dem Unterricht nehmen oder später zurückkehren lassen, um stressfreier und günstiger in den Urlaub zu starten? Immer mehr Familien scheinen genau diesen Weg zu wählen – trotz klarer gesetzlicher Vorgaben und schulischer Pflichten.
Auf den ersten Blick mag es verlockend erscheinen, die Schulferien eigenmächtig zu „strecken“. Flugpreise sind niedriger, die Autobahnen leerer, die Unterkünfte erschwinglicher. Doch bei näherer Betrachtung offenbart sich ein fragwürdiger Trend, der nicht nur pädagogisch, sondern auch gesellschaftlich problematisch ist.
Schulpflicht ist keine Kann-Bestimmung
In Deutschland besteht eine gesetzlich verankerte Schulpflicht. Sie endet nicht mit der Buchung eines günstigen Charterflugs. Wer sein Kind ohne Genehmigung der Schule vom Unterricht fernhält, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die Bußgelder nach sich ziehen kann – in einigen Bundesländern werden Strafen von mehreren hundert Euro verhängt. Noch gravierender ist jedoch das Signal: Bildung wird zur Nebensache, Freizeitvergnügen zur Priorität.
Reiseplanung ist Privatsache – keine staatliche Aufgabe
Eltern, die sich darüber beklagen, dass Ferienzeiten zu kurz oder unpraktisch gelegen seien, übersehen, dass Schulferien nicht zur Optimierung von Familienurlauben gedacht sind, sondern dem Bildungsrhythmus und pädagogischen Konzepten folgen. Wer pauschal „mehr Flexibilität“ fordert, meint in Wahrheit oft die Aushebelung klarer Regeln zum eigenen Vorteil – auf Kosten des Gemeinwohls.
Das Argument der „pädagogisch wertvollen Reise“ greift zu kurz
Zwar lässt sich auf Reisen vieles lernen – doch ersetzt dies nicht den systematischen Unterricht. Lehrerinnen und Lehrer berichten regelmäßig davon, dass Kinder nach einer unentschuldigten Abwesenheit im Stoff zurückhängen, Unterrichtseinheiten verpassen oder Gruppenprojekte gestört werden. Dass eine Urlaubsreise nach Südeuropa die Bildungsarbeit einer ganzen Klasse beeinträchtigt, ist nicht selten. Der angeblich „erzieherische Mehrwert“ solcher Reisen bleibt oft bloße Behauptung.
Unfaire Vorteile für Wenige
Nicht alle Familien haben die Mittel, sich zusätzliche Urlaubstage zu leisten – oder das Selbstverständnis, sich über Regeln hinwegzusetzen. Wer eigenmächtig verlängert, schafft Ungleichheit im System. Die Botschaft an die Kinder ist ebenso fragwürdig: Wer clever genug ist oder laut genug auftritt, darf sich herausnehmen, was anderen verwehrt bleibt.
Missbrauch untergräbt sinnvolle Ausnahmen
Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen eine Beurlaubung aus triftigen Gründen gerechtfertigt ist – etwa bei Familienbesuchen im Ausland, gesundheitlichen Ausnahmen oder besonderen Lebensumständen. Doch wenn Eltern massenhaft Ferien eigenmächtig ausdehnen, verlieren Schulen ihre Bereitschaft zur individuellen Abwägung. Das Ergebnis ist ein Klima des Misstrauens, das letztlich auch jenen schadet, die gute Gründe vorbringen.
Klare Ansage
Die eigenmächtige Verlängerung der Schulferien für Urlaubsreisen ist keine clevere Lösung, sondern ein Ausdruck von Verantwortungslosigkeit. Wer Bildung ernst nimmt – und Kindern Respekt vor Regeln vermitteln will –, sollte sich an gesetzliche Vorgaben halten. Familienurlaub ist wichtig und wertvoll, aber er rechtfertigt nicht das Umgehen gemeinschaftlicher Standards. Wer frühzeitig plant, findet auch innerhalb der offiziellen Ferien Möglichkeiten für erholsame Reisen – ganz ohne Regelbruch.