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Unsitte im Hotel: Tägliche Reinigung nur auf Wunsch

Die vermeintliche Verpflichtung der Hotellerie zu mehr Umweltschutz führt vielerorts zu einer radikalen Änderung im Roomservice: Die tägliche Zimmerreinigung wird nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Gäste angeboten. Was auf den ersten Blick als Beitrag zur Ressourcenschonung gilt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein höchst ambivalentes Vorgehen – ein Paradebeispiel dafür, wie sich ökonomische Interessen geschickt unter das Etikett „Nachhaltigkeit“ mischen.

Der Kunde wird mit solchen Konzepten auf fragwürdige Art moralisch unter Druck gesetzt. Foto: if/reisebuch.de

Die ökonomische Logik: Sparen statt schützen

Hinter der Entscheidung vieler Hotels, die tägliche Reinigung abzuschaffen, steht vor allem die Kostenrechnung. Der Verbrauch von Wasser, Strom oder Reinigungsmitteln spielt dabei nur eine Nebenrolle. Entscheidend ist die Reduktion der Personalkosten.

Das Housekeeping gehört zu den größten variablen Kostenfaktoren eines Hotelbetriebs. Wenn nur ein Teil der Gäste den Service aktiv anfordert, können Schichten verkürzt und Stellen reduziert werden – eine unmittelbare Entlastung für die Betriebsbilanz. Diese Einsparungen sind schnell und messbar, während die angeblichen Umweltvorteile eher symbolischer Natur sind. Die Praxis erlaubt eine schlankere Personalstruktur („Lean Staffing“) und spart zusätzlich Verwaltungsaufwand.

Verlierer im System: Das Reinigungspersonal

Die Verschiebung der Reinigungszyklen trifft ausgerechnet jene am stärksten, die ohnehin am unteren Ende der Lohnskala stehen: das Reinigungspersonal. Eine Zimmerreinigung nach zwei oder drei Tagen ist deutlich aufwendiger als eine tägliche Routinepflege.

  • Mehr Belastung: Angesammelter Schmutz, Müll oder Kalk erfordern intensivere Arbeit und oft den Einsatz aggressiverer Reinigungsmittel.
  • Weniger Zeit: Die vorgegebenen Zeitfenster bleiben meist unverändert, obwohl der Aufwand steigt. Das erhöht den Druck und die körperliche Beanspruchung.
  • Einkommensverlust: Wer weniger Schichten erhält, verliert Stunden und damit Einkommen – ein empfindlicher Einschnitt für Beschäftigte im Niedriglohnsektor.

So wird aus dem ökologischen Fortschritt ein sozialer Rückschritt.

Nachhaltigkeit, welche die menschliche Komponente vernachlässigt, bleibt eine leere Formel.

Greenwashing mit moralischem Anstrich

Viele Hotels bewerben den reduzierten Reinigungsservice als Umweltschutzmaßnahme – oft garniert mit Zahlen: „20 Liter Wasser pro Reinigung gespart“, „weniger Chemieeinsatz“. Das klingt gut, bleibt aber im Verhältnis zur Gesamtbilanz eines Hotelbetriebs marginal.

Denn der wahre ökologische Fußabdruck entsteht durch Energieverbrauch, Lebensmittelabfälle und Mobilität der Gäste. Hier sind die Einsparpotenziale erheblich größer – aber auch unbequemer und teurer in der Umsetzung.

Die Reduzierung des Housekeepings ist dagegen ein sogenanntes Low-Hanging Fruit: leicht umzusetzen, medienwirksam zu kommunizieren und ökonomisch rentabel. Kritiker sprechen zu Recht von Greenwashing – eine Maßnahme, die mehr dem Image als dem Planeten dient.

Gäste als stille Verlierer

Auch für die Gäste hat die Praxis spürbare Konsequenzen. Die tägliche Reinigung gehört traditionell zum Selbstverständnis eines Hotelaufenthalts. Sie ist Teil des Komforts, für den bezahlt wird.

  • Hygienische Einbußen: Müll, Staub und Keime sammeln sich, besonders in Badbereichen. Die Luftqualität verschlechtert sich spürbar, vor allem bei längeren Aufenthalten.
  • Komfortverlust: Wer für eine Leistung extra nachfragen muss, die früher selbstverständlich war, fühlt sich nicht als willkommener Gast, sondern als Bittsteller.
  • Verwirrung und Missverständnisse: Ob per App, durch Türanhänger oder Rezeption – viele Gäste sind unsicher, wann ihr Zimmer tatsächlich gereinigt wird. Die Folge: Irritation und sinkende Zufriedenheit.

Ein Hotel, das Kernleistungen unter moralischen Vorzeichen einschränkt, riskiert das Vertrauen seiner Gäste. Nachhaltigkeit darf kein Vorwand sein, Servicequalität zu reduzieren.

Transparenz statt Taktik

Reisebuch.de plädiert für mehr Offenheit und eine faire Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung. Nachhaltigkeit ist kein Sparprogramm, sondern ein Gesamtkonzept, das auch die Arbeitsbedingungen und den Komfort der Gäste respektieren muss.

Empfehlungen für Reisende:

  • Auf tägliche Reinigung bestehen: Wer Wert auf Hygiene und Komfort legt, sollte den Service ausdrücklich verlangen. Das stärkt zugleich die Position des Housekeepings.
  • Nachfragen lohnt sich: Fragen Sie nach, wohin die eingesparten Kosten fließen. Werden sie tatsächlich in Umweltschutz oder Personalqualifikation investiert – oder einfach als Gewinn verbucht?
  • Eigenverantwortlich handeln: Wer Umweltbewusstsein zeigen will, kann das gezielter tun – etwa durch sparsamen Handtuchwechsel, Verzicht auf Minibar oder bewusste Auswahl der Anreiseform.

Schlussbemerkung

Die Reduzierung der Zimmerreinigung ist ein Beispiel dafür, wie aus Nachhaltigkeit ein Etikett wird, das betriebswirtschaftliche Rationalisierung oder Profitgier tarnt. Wirklich nachhaltige Hotellerie bedeutet Transparenz, faire Arbeitsbedingungen und effiziente Ressourcennutzung – ohne die Servicequalität zu opfern.

Die tägliche Reinigung ist keine nostalgische Gewohnheit, sondern ein Bestandteil professioneller Gastlichkeit. Sie abzuschaffen, um unter dem moralischen Deckmantel der Nachhaltigkeit Arbeitszeit und Kosten zu sparen, ist kein gesellschaftlicher Fortschritt, sondern ein ärgerlicher Rückschritt zu Lasten der teuer zahlenden Kunden.

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